Geschichte des Wildschweines


Das Wildschwein ist die Stammform des Hausschweines.

Wildschweine werden in Europa seit Urzeiten als Jagdwild genutzt und auch schon sehr früh durch den Menschen domestiziert. 
Archäologische Funde von Schweineknochen, die deutlich unterhalb der Variationsbreite von Wildschweinknochen liegen, werden deshalb als Beleg für eine Wildschweindomestikation betrachtet.
Die ältesten gesicherten Belege für eine Domestikation hat man im Südosten der Türkei gefunden.

In frühneolithischen Siedlungen aus der ersten Hälfte des 8. Jahrtausends v. Chr. haben Ausgrabungen Wildschweinknochen an den Tag gebracht. Das Wildschwein gehörte zum wichtigsten Jagdwild der Menschen des Mesolithikums. Aufgrund archäologischer Befunde ist man der Überzeugung, dass Wildschweine in Mitteleuropa etwa 40 bis 50 % der Jagdbeute ausmachten. Unsere Vorfahren verwendeten Fallgruben und jagten mit Pfeil und Bogen die leicht zu erlegenden Jungtiere und vorjährigen Tiere. Für Europa datieren sichere Belege auf 7000 v. Chr. Die Domestikation des Wildschweins fand jedoch ursprünglich in China statt, wo die ältesten Knochenfunde auf eine Haustierhaltung des Wildschweins im 6. Jahrtausend v. Chr. hinweisen. In Thailand lassen archäologische Befunde die Domestikation auf das 4. Jahrtausend vor Christus datieren. Bis hinein ins 18. Jahrhundert unterschied sich das Wildschwein nicht vom domestizierten Hausschwein.

In der europäischen Geschichte erlangte das Wildschwein jedoch nicht nur als Jagdbeute einen hohen Stellenwert, sondern es fand auch Einlass in Erzählungen, Sagen, Mystik und Geschichtsschreibung. Eberhauer wurden sogar zur Waffenherstellung verwendet und dienten im vorhomerischen Zeitalter als Statussymbol.


Helm











(Eberzahnhelm aus mykenischer Zeit)

Die Jagd auf das als wehrhaft geltende Wildschwein ist immer Thematik der Literatur und Mystik gewesen. Vor allem in der griechischen Sagen und Literaturwelt nimmt das Wildschwein eine exponierte Stellung ein. Das reicht von den Taten des Herakles, der den Erymanthischen Eber einzufangen, hat bis zur griechischen Überlieferung der Wildschweinjagd der Atalante und des Meleager. Schon in den Erzählungen des Homer wird davon berichtet, wie die griechische Göttin der Jagd Artemis aus Rache ein Wildschwein auf die Erde schickt, das die Felder und Weingärten verwüstet. Auch der römische Dichter Ovid hat beschrieben, welche Schäden wühlende Wildschweine auf den Feldern der Bauern verursachen.

Selbst in der Odyssee wird das Wildschwein erwähnt, so erkennt die Amme den als Bettler heimgekehrten Odysseus an einer Beinnarbe wieder, die er sich beim heldenhaften Kampf mit einem Keiler zugezogen hat.

Auch in der germanischen Sagenwelt hat das Wildschwein Eingang gefunden. In der germanischen Edda jagen die Helden jeden Tag den Keiler Sährimnier, der am nächsten Morgen aufersteht, um erneut gejagt zu werden. Auch in Märchen taucht der heldenhafte Kampf gegen das Wildschwein auf. Im Märchen vom tapferen Schneiderlein, das die Gebrüder Grimm überliefert haben, fängt durch einen schlauen Trick das schmächtige Schneiderlein den wilden Eber, vor dem sich sogar die Jäger fürchten.

Die Jagd auf einen ausgewachsenen Keiler stellte eine Mutprobe und Männlichkeitsritual dar. Es galt daher durchaus als königliche Mutprobe, sich nur mit der sogenannten Saufeder, einem Jagdspieß, auf Wildschweinjagd zu begeben. Die erfolgreiche Jagd Karls des Großen auf einen Keiler wird dementsprechend auch in der St. Galler Handschrift Carolus Magnus et Papa Leo aus dem Jahre 799 gewürdigt.

Am württembergischen Herzogshof wurden zu Anfang des 17. Jahrhunderts 900 große Jagdhunde gehalten, mit denen man auf Wildschweinjagd ging. Die wertvollen Hunde, die man auch als „Sauhunde“ oder „Saupacker“ bezeichnete, wurden gegen die Angriffe der Wildschweine mit breiten Halsbändern und mitunter sogar Panzerhemden geschützt. Aufgabe der Hunde war es, das Wildschwein so lange zu hetzen, bis es ermüdete und es dann an einem Ort festzuhalten, bis der Jäger es aus naher Entfernung tötete. Bei diesen Sauhatzen wurden regelmäßig Menschen, Pferde und Hunde durch angreifende Wildschweine schwer und mitunter tödlich verletzt. Das Jagdrecht war jedoch stets dem Adel vorbehalten.

Mit der fortschreitenden Entwicklung der Feuerwaffen verlor die Wildschweinjagd jedoch aufgrund ihrer zunehmenden Einfachheit das Statussymbol.

In der neueren Geschichte bestand das Konfliktpotenzial zwischen Wildschwein und Mensch in der Streitigmachung des Lebensraumes. In den letzten Jahrhunderten hat sich die Verbreitung des Wildschweins vor allem aufgrund menschlicher Eingriffe verändert. Mit der Ausdehnung und Intensivierung der Landwirtschaft nahm auch die Bejagung des Wildschweins als Schädling zu, sodass beispielsweise die Art in England bereits zu Beginn des 17. Jahrhunderts ausgerottet war. In Dänemark erlegte man die letzten Wildschweine Anfang des 19. Jahrhunderts, bis 1900 gab es auch in Tunesien und dem Sudan keine Wildschweine mehr, und auch in Deutschland sowie in Österreich, Italien und der Schweiz waren weite Teile wildschweinfrei. Zu den deutschen Regionen, in denen bis in die 1940er Jahre Wildschweine nicht mehr vertreten waren, zählen beispielsweise Thüringen, Sachsen, Schleswig-Holstein und sogar Baden-Württemberg.

Das Wildschwein wurde Anfang des 20. Jahrhunderts sogar zu Jagdzwecken in den USA eingebürgert und auch nach Australien wurde das Wildschwein zu Beginn des 19. Jahrhunderts eingeführt, um dort unter anderem Schlangen zu bekämpfen. Heute gelten Wildschweine in Australien als Plage – sie töten beispielsweise regelmäßig neugeborene Lämmer und gelten daher als landwirtschaftliche Schädlinge.


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